Michael Jung bei der Aussicht auf die Gemarkung Westhofen

Die 54 schönsten Weinbergshäuschen in Westhofen

Geht man in Rheinhessen wandern, so begegnet einem immer wieder ein Wingertsheisje – zu hochdeutsch auch Weinbergshäuschen genannt. Michael Jung beschäftigt sich seit 2010 mit diesen besonderen Schutzhütten, die wir so zahlreich in unserer Heimat finden. Ganze 54 dieser Häuschen findet man allein in Westhofen, dem Wohnort von Michael Jung und Start- sowie Endpunkt des ihm geschuldeten Wingertsheisjer Wanderweges. Hier treffen wir ihn auch und wollen noch einiges mehr über die Schutzhütten erfahren:

Informiert man sich über die Weinbergshäuschen, stößt man früher oder später auf Ihren Namen. Wie hat sich Ihre Liebe zu den Schutzhütten entwickelt und was fasziniert Sie so daran?

Ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. 2010 habe ich Motive für Fotografien und Zeichnungen gesucht und habe sie in den Wingertsheisjer auch gefunden. Ich fragte unseren Vorsitzenden des Heimatvereines, wo die Häuschen sind, damit ich das in der Datei ablegen und verorten kann und bekam selbstverständlich Antworten. Das Nachfragen macht man allerdings nur zweimal beim Heimatverein, beim dritten Mal rief er mich an und sagte: „Michael, du gehst doch mit deinem Hund immer andere Wege.“ – „Ja.“ – „Du hast doch einen Fotoapparat.“ – „Ja.“ – „Du bist doch geschichtlich interessiert.“ – „Ja.“ – „Ich habe mit unserem Bürgermeister gesprochen. Es gibt hier keine Flurkarte mit allen Wingertsheisjern von Westhofen und wir wissen nicht genau wie viele es sind. Könntest du …“ – So hat das angefangen. Erst kam die Verortung, dann kam der nächste Schritt und die Fragen: Was haben die Häuschen für eine Geschichte? Wie alt sind sie? Wem gehören sie denn jetzt genau? Haben die Besitzer vielleicht Informationen oder Bilder darüber? So kam eines zum anderen. Das war 2010 und hat sich so weiterentwickelt, dass ich mit Fug und Recht sagen kann, dass ich mir schon einiges an Wissen angeeignet habe. Das ist die Liebe – ganz klipp und klar die Liebe. Es gibt nichts Schöneres! Auch die Gemarkung machtʼs noch dazu – das Gesamtbild einfach.

Da tragen die alten Häuschen doch so manche Geheimnisse mit sich. Können Sie uns eine spannende Geschichte oder Anekdote zu einem der Häuschen erzählen?

Eine Anekdote, was nehmen wir denn da? – Ah ja, der Juliusturm. Als Julius Grönewald noch gelebt hat, Gott habe ihn selig, war er mir auch behilflich.

Er erzählte mir, als sein Sohn Julius geboren wurde, wollte er einen Turm als Landturm bauen. Es dauerte letztendlich zwei Jahre, bis der Turm gestanden hat. Er ist in dieser Zeit überall herumgelaufen und hat alte Steine für den Turm gesucht. Sodass die Leute gesagt haben: „Dort wo der Julius noch nicht war, da haben die Leute ihre Steine noch.“ Und er selbst erzählte mir: „Michael, der Turm steht auf der einen Hälfte auf Gemeindegrund und auf der anderen auf meinem Grund. Ich wusste nie, wo der Grenzstein war. Als ich dann den ersten Stock drauf gebaut habe, ist auf ganz wundersamer Weise der Grenzstein von unten nach oben gedrückt worden, sodass der Grenzstein genau in der Mitte von dem Turm unten ist.“ Und ich muss es ihm glauben, einem älteren Mann muss man einfach glauben …

Eine schöne Anekdote auch über Julius Grönewald. Und es gibt noch 1.000 andere Geschichten über die Wingertsheisjer.

Der Juliusturm in Westhofen

Haben Sie denn ein Lieblings-Wingertsheisje?

Ja, es sind eigentlich alle. Nein, tatsächlich ist es so, dass ich es entdeckte, ohne dass ich es wusste. In der Zeit 2005, als wir hierhergezogen sind, bin ich abends zum Herunterkommen mit meinem Hund los und an das Orientalische Heisje gelaufen. Das gab mir wahnsinnig viel Ruhe. Ich wusste nicht, dass es von 1766 ist. Aber wenn man sich darauf einlässt und sich dort in aller Ruhe hinsetzt, es genießt und ganz langsam runterkommt, dann erzählt das Heisje etwas. Ich glaube daran. Weil, was hat es schon erlebt so alt wie es ist … Genauso das Missions-Heisje. Wenn die Steine sprechen könnten … Wahnsinn! Das ist so ein Punkt, da komme ich einfach runter.

Gemeinsam mit Claudia Hillebrand haben Sie im März dieses Jahres das Buch „Die 111 schönsten Weinbergshäuschen in Rheinhessen“ veröffentlicht. Wie kam es dazu?

Eigentlich ist das dadurch gekommen, dass Frau Hillebrand gerne wandert und bei Flonheim den Trullo bei strahlendem Sonnenschein gesehen hat. Von der Sonne angeleuchtet stand er da, und da dachte sie sich: „Das ist ja toll, da könnte man was machen!“ Und wie Sie schon gesagt haben, wenn etwas mit Wingertsheisjer zu tun hat, kommt man automatisch auch zu mir. So kam sie auch zu mir und sagte: Herr Jung, wir wollen das so und so machen. Sie hatte die Idee gehabt und bereits Sachen vorbereitet. Erst hatte ich überlegt. Julius Orb konnte mich aber letztendlich überreden. Er sagte, wenn Frau Hillebrand das allein herausgibt, wird sie als Fachfrau hier gehandelt. Sie kann in der kurzen Zeit nicht das Wissen gewinnen, welches ich in so langer Zeit erarbeitet habe. Aus dem Stand kann ich Ihnen hier Gästeführungen anbieten und weiß auch dementsprechend viel über die ganze Verbandsgemeinde und auch über die Vorgeschichte oder Weingeschichte von Rheinhessen und, und, und … Wir haben dann gemeinsam geschaut, dass alle Fakten und Geschichten klar und richtig sind. So sind wir zusammen[1]gekommen. Das war letztes Jahr im November. Sie hatte schon Vorarbeit geleistet und auch schon einen Teil geschrieben. Mit einem ganz anderen Ansatzpunkt als ich – sie recherchiert im Internet und ich gehe lieber direkt zu den Leuten und erfahre die Geschichten von ihnen.

Das Chinesische Heisje in Westhofen

Welche Geschichten kann man denn in dem Buch erfahren?

Es ist eigentlich aufgebaut wie ein Reiseführer: Geschichte, Geschichten, Baustile. Eine schöne Sache ist zum Beispiel in Gundheim: Die Winzer dort haben Zisternen genommen. 2014 kam die Idee, Wingertsheisjer zu bauen und sie wollten das günstig machen. Also kam die Idee mit den Zisternen. Solche Sachen erfährt man im Buch. Ich habe auch von der ganzen VG Wonnegau die Wingertsheisjer aufgenommen. Wichtig ist, dass man hingehen kann und die Koordinaten verzeichnet sind, sodass man das Häuschen direkt findet. Es ist im Grunde eine Reisebeschreibung, sodass die Leute auf den Geschmack kommen und die Häuschen dann dementsprechend anwandern können. Wichtig war für mich auch, im Vorwort darauf hinzuweisen, dass bitte niemand mit dem Auto dorthin fahren soll.

Das Buch heißt ja „Die 111 schönsten Weinbergshäuchen in Rheinhessen“. Gibt es denn ein Häuschen das Sie als das Schönste betiteln würden?

Das schönste für mich, weil ganz einfach meine Emotionen darin sind, ist das Orientalische Heisje. Weil es auch im Trullo Baustil ist und das Gesamtbild dementsprechend für mich da ist. Auch das Feeling, das bei dem Häuschen dabei ist, ist einfach wundervoll!

Das Orientalische Heisje in Westhofen

Text: © Jessica Bömicke
Bilder: © Jessica Bömicke