Ein letztes Mal Wünsche wagen

ASB Wünschewagen Rheinland-Pfalz

Wir telefonieren mit Christina Kunde, eine der drei Projektkoordinatorinnen des ASB Wünschewagens Rheinland- Pfalz, um mehr über dieses besondere Projekt zu erfahren, das so manchen Menschen in ihrer letzten Lebensphase nochmal ein Leuchten in die Augen zaubern konnte und sie den Alltag vergessen ließ.

 

Frau Kunde, wie kam die Idee des Wünschewagens zustande und seit wann ist dieser auf den Straßen zu finden?

Der allererste Wünschewagen des Arbeiter Samariter Bundes (ASB) in Deutschland wurde im Jahr 2014 ins Leben gerufen – in der Stadt Essen im ASB Regionalverband Ruhr e.V. Die Kollegen haben den ersten Wünschewagen auf die Straße geschickt und zwar nachdem sie ein ähnliches Projekt kennengelernt haben, das in den Niederlanden seit vielen Jahren erfolgreich läuft. Die „Stitching Ambulance Wens“ hatten sich das vor Jahren ausgedacht und in den Niederlanden eingeführt. Die Kollegen vom ASB in Essen, die auf das Projekt gestoßen sind, sind dann in die Niederlande gefahren, haben dort die Menschen kennengelernt, sich das ganze Projekt im Detail vorstellen lassen und mit deren Segen den allerersten deutschen Wünschewagen gebaut und ein erstes Ehrenamtlichen-Team dafür auf die Beine gestellt. Dann kamen nach und nach weitere ASB Landesverbände hinzu. In Rheinland-Pfalz konnten wir im Januar 2017 starten. Circa eineinhalb Jahre später waren die Wünschewägen schon flächendeckend in ganz Deutschland unterwegs. In jedem Bundesland gibt es mindestens einen Wünschewagen des ASBs.

Sie sagten, dass sie den ersten Wünschewagen gebaut haben. Wie sieht so ein Wünschewagen denn aus?

Der Wünschewagen ist ein neu gebautes Fahrzeug, das einem Krankenwagen zwar sehr ähnelt, aber doch deutliche Unterschiede hat. Außen steht Wünschewagen drauf und er ist voller Sternchen. Er ist ausgebaut wie ein Krankentransportwagen, unterscheidet sich aber insofern, dass alle medizinischen Gerätschaften zum Beispiel hinter Schränken verbaut sind und damit etwas mehr in den Hintergrund rücken. Wir haben eine schöne rundum Panoramaverglasung, sodass man während der Reise schön rausschauen kann. Die Scheiben sind getönt, sodass die Privatsphäre dennoch gewährleistet ist. Wir haben ein Radio und CD-Player an Bord, eine weiche und luftgefederte Trage für einen möglichst komfortablen Transport und was eigentlich in einem Krankenwagen eine Kühlschublade für Medikamente ist, ist in unserem Fall die Minibar. Die ist immer gefüllt mit vielen Getränken, Sekt und Bier mit und ohne Alkohol, Softgetränken und lauter solchen Dingen.

Und an wen richtet sich der Wünschewagen denn überhaupt?

Mit dem Wünschewagen erfüllen wir schwerkranken Menschen in ihrer letzten Lebensphase einen wichtigen letzten Herzenswunsch. Das heißt, mit diesem Fahrzeug und den ehrenamtlichen Wunscherfüllern fahren wir unsere Fahrgäste und eine Begleitperson nach Wunsch, noch einmal an ihren Lieblingsort. Das kann ein lebensgeschichtlich bedeutsamer oder ein weit entfernter Ort sein, die Teilnahme an einer Familienfeier oder auch an kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen. Von „Ich möchte noch einmal in einen Tierpark“, „Ich möchte gern selbst mal einen Elefanten füttern“ zu „Ich möchte noch einmal die Berge sehen“, „Ich möchte noch einmal das Fußballspiel meines Lieblingsvereines im Stadion besuchen“ oder „Ich möchte gerne ein Musical in Hamburg sehen“. Es gibt auch zahlreiche Wünsche, die ganz klein sind und einen ganz starken Abschiedscharakter haben. Das ist zum Beispiel, dass Menschen sich immer wieder wünschen, noch einmal auf den Friedhof zu fahren und das Grab ihrer Eltern oder ihres verstorbenen Ehepartners zu besuchen. Das ist auch etwas, was Menschen oft in ihrer allerletzten Lebenszeit ganz wichtig ist.

Gibt es einen Wunsch, von dem Sie uns genauer erzählen können?

Heute fand eine Fahrt statt, bei der wir eine schwer erkrankte, ältere Dame in Begleitung ihrer Kinder noch einmal in ihre Geburtsstadt Mainz gebracht haben. Wo sie einfach noch einmal die geliebte Stadt sehen und gewisse Sehenswürdigkeiten ab spazieren wollte – vom Fischtor zum Holzturm zum Fastnachtsbrunnen zum Dom und ins Lieblingscafé ging es auch noch und da hat auch noch ein großes Stück Sahnetorte hineingepasst. Und nach einigen Stunden war auch die Kraft erschöpft.

Konnten bisher alle Wünsche erfüllt werden oder gibt es auch Grenzen?

Wir können wirklich sehr viel erfüllen. Selbstverständlich gab es unter Corona Grenzen. Es gab Zeiten, in denen die Kontaktbeschränkungen sehr stark waren. Da konnten auch wir keine Familienfeier zulassen oder zu kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen fahren. Es gab Zeiten, da konnten wir keine Übernachtungsfahrten ermöglichen. Wir schauen uns alles ganz individuell an und versuchen möglichst viel davon möglichst gut und erfolgreich zu erfüllen. Und das kann ganz unterschiedlich sein. Aber ja, es gibt natürlich mal etwas, das unseren Rahmen sprengt. Generell ist es so, dass der Wünschewagen nur in Deutschland fährt. Dabei sollte das Ziel möglichst innerhalb eines Tages gut erreichbar sein. Wir möchten mit den Familien und Fahrgästen immer eine gute Abwägung treffen und beachten, wie kräftezehrend so eine Reise sein kann. Das ist aber sehr individuell und wird auch individuell geplant, weil jeder Mensch da einfach anders ist.

Wo wir die ganze Zeit schon von den Wunscherfüllern reden – Wer sind diese Menschen denn überhaupt?

Jede Wunschfahrt wird begleitet von einem zweiköpfigen Bord- Team aus ehrenamtlichen Wunscherfüllern. Ungefähr die Hälfte dieser Menschen kommt aus dem Rettungsdienst und die andere Hälfte aus der Kranken- oder Palliativpflege. Allesamt sind es Menschen, die ihr Wissen einbringen möchten, um mit Herz dieses Ehrenamt zu machen – Menschen, die sagen: „Ich kann mir da einfach Zeit nehmen für diesen einen Menschen an dem Tag.“

Man könnte sich ja wundern, weil dieses Ehrenamt der beruflichen Tätigkeit sehr ähnelt. Aber der Unterschied ist, an diesem Tag sind sie eigentlich Begleiter. Sie können jemandem einen wirklich wichtigen Wunsch erfüllen, von dem sie wissen, dass es ansonsten keine Möglichkeit dafür mehr gegeben hätte und sollte irgendetwas sein, dann haben sie das Wissen und die Qualifikation, um darauf auch passend eingehen zu können. Und alle Wunscherfüller machen das ehrenamtlich, also wirklich in ihrer Freizeit, und unentgeltlich für den Wünschewagen und für ihre Fahrgäste. Ebendas ermöglicht es auch, dass das Angebot des Wünschewagens für den Fahrgast und eine Begleitperson nach Wunsch kostenfrei ist. Sodass die finanziellen Dinge und Fragen gleich mal keine Rolle mehr spielen.

Und, dass es ein Ehrenamt und eben kein Dienst ist, zu dem man eingeteilt wird, sorgt auch dafür, dass die Begleitung eine ganz andere Qualität hat. Die Ehrenamtlichen sind für die Fahrgäste da, weil sie es möchten. Das bringt eine ganz besondere menschliche Qualität mit, die der Fahrgast und die Familien auch ganz unmittelbar spüren. Dafür tun das unsere Ehrenamtlichen – für diese Freude, die da erzeugt werden kann, für das Lächeln, das man einem schwerkranken Menschen und seinen Angehörigen aufs Gesicht zaubern kann, um mit diesem gemeinsamen Erlebnis auch einfach glückliche Momente zu schaffen, die Kraft geben. Auch über das Erlebnis hinaus – das ist etwas, was tatsächlich auch Angehörigen weiterhinaus, auch nach dem Versterben ihres kranken Angehörigen, bleibt – eben ein besonderer Erinnerungsschatz. Aber es geht uns ja vor allem um die Fahrgäste und da ist die Dankbarkeit, dieses Leuchten in den Augen ganz klar spürbar!

Wenn man das so hört, möchte man am liebsten selbst direkt etwas dazu beitragen. Wie kann man das Projekt des Wünschewagens denn unterstützen?

Menschen mit medizinisch-pflegerischem Wissen sind immer herzlich Willkommen, sich mit uns in Verbindung zu setzen und über ein paar Schulungen in unser Team einzusteigen. Das komplette Projekt finanziert sich aus Spenden und somit sind wir dankbar um jede Spende, die dem Wünschwagen zuteilwird. Da zählt jeder Euro, der den Wagen am Rollen hält. Der Großteil der Spenden, die wir bekommen, sind wirklich viele Kleinspenden von ganz normalen privaten Menschen oder Initiativen, die sich zusammentun. Jeder einzelne kleine Betrag hilft dabei Wünsche zu erfüllen! Auf der Internetseite www.wünschewagen.de finden Sie alle weiteren Informationen zu allen Wünschewägen bundesweit.

Text: © Jessica Bömicke
Bild: © ASB LV RLP e.V.