Winzer des Monats l VG Wonnegau
Das Erfolgskonzept der Winzerfamilie Kleemann in Gimbsheim
Um Großes zu erreichen bedarf nicht immer nur eines kühlen Kopfes, sondern auch Vertrauen auf sein Können und das eigene Bauchgefühl. Das Weingut Kleemann in Gimbsheim blickt auf viele Jahrzehnte zurück, in denen sich dieses Prinzip bewährt hat.
Bereits 1971 zeigt sich dies, als Albert Kleemann sein Wohnhaus in der Sandstraße verkaufte, um damit alles auf eine Karte zu setzen. Er ging das Wagnis ein, in der Hauptstraße 2 in Gimbsheim ein sanierungsbedürftiges Gebäude zu kaufen, in dem zuvor ein Kohlehändler sein Unternehmen hatte.
Dass Wein schon sehr früh das Leben der Familie Kleemann prägte, zeigen auch alte Briefe und Unterlagen, in denen nachzulesen ist, dass es schon früh Weinhandel, Weingut und eine Gastwirtschaft gab. Der Krieg hat hier, wie bei vielen der damaligen Zeit, für einen großen Einschnitt gesorgt. Pläne wurden verworfen oder waren nicht mehr umsetzbar, andere wurden neu aufgenommen. So auch die Ausbildung der Brüder Kleemann zu Küfer, die sich damit selbstständig machten und ein eigenes Unternehmen gründeten.
Die Leidenschaft zum Rebensaft ließ Albert Kleemann nicht los. Die Familie bewirtschaftete zirka einen Hektar Wingert, so dass der Flaschenweinverkauf ein Grundstein für den Wachstum der Winzerfamilie wurde. Der Platz in der Sandstraße wurde enger. Das Angebot die Kohlehandlung zu kaufen kam gerade recht und Albert Kleemann griff zu, trotz der großen Renovierungen, die der Kauf bedeutete. Ohne Vision und Mut ein einschüchterndes Projekt – und ein Einsatz, der sich auszählen würde. Nach den großen Instandhaltungsarbeiten zog 1975 die Küferei ein. Nach einigen Jahren ersetzen allerdings Kunststofffässer zunehmend die Holzfässer. Durch die räumliche Vergrößerung und den neugesetzten Fokus auf die Weinherstellung, gelang der Schritt zum Weinbau als Priorität fließend.
1981 stieg Alberts Sohn Uwe mit in den Betrieb ein. Es wurde auf dem Grundstück ein weiteres Gebäude gebaut und der Flaschenweinverkauf vergrößert. Gab es zu Beginn der 80er Jahre in erster Linie Kundschaft nur im näheren Umfeld des Kreises Alzey-Worms, vergrößerte Uwe durch seinen Einsatz den Kundenkreis und kaufte Weinberge dazu. Die Räumlichkeiten wurden Anfang der 90er wieder zu klein. Wieder meinte es das Schicksal gut mit den Kleemanns. Uwes Frau Doris träumte schon länger davon, Gästezimmer und Ferienwohnungen zu unterhalten. Ein Gebäude der ehemaligen Raiffeisengenossenschaft wurde veräußert. Dieses gehörte in der Vergangenheit vor dem Krieg einem Familienmitglied. Vielleicht sollte es so sein, dass es wieder das Eigentum der Winzerfamilie wurde. Mit dem Kauf wurde mehr Lagerplatz gewonnen, es konnte aber auch Doris Kleemanns Traum erfüllt werden. Es wurde viel investiert. Doch wie so oft in der Geschichte der Familie wurden sie in dieser Zeit von ihren Visionen und einem guten Bauchgefühl getragen. 1998 konnten die ersten Gästezimmer angeboten werden. Seit 2004 gibt es auch Ferienwohnungen. Derzeit gibt es drei Doppelzimmer mit einem großen Aufenthaltsraum und Küche in der Etage, sowie eine große Ferienwohnung mit 150 m² und eine kleine Ferienwohnung mit 90 m².
Glückliche Fügungen sorgten dafür, dass die Betriebsfläche durch Zukäufe weiterwuchs. Auch einige Weinberge kamen hinzu, dass statt dem ursprünglichen einen Hektar inzwischen knapp 12,5 Hektar zum Weingut gehören. Wenn es Möglichkeiten gibt Parzellen zuzukaufen, deren Qualität die Winzer überzeugt, nehmen die Kleemanns diese Chance wahr. Alte Reben werden, so lang es geht, erhalten. Der Geschmack und die Qualität unterstreichen diese Entscheidung. Deshalb sind alte Anlagen dazu genommen worden, die bei der Bewirtschaftung mitunter schwieriger sind, aber von deren Weinniveau die Winzer überzeugt sind. Nur eines von mehreren Beispielen hier ist ein wurzelechter Portugieser, der nur unweit von einem 2018 neuangepflanzten steht und schon seit 1986 besteht. Zwischen beiden Weinen liegen Welten, so Matthias Kleemann, Sohn von Uwe und Doris.
Nach einer Ausbildung in einem anderen Weingut, um seinen Horizont zu erweitern und sich inspirieren zu lassen, ist er 2020 fest in den Familienbetrieb eingestiegen und mit Herzblut dabei. Er wäre nicht der Sohn seiner Eltern, würde er nicht auch Innovationen in den Betrieb mit einbringen. 2022 ergab sich die Möglichkeit zwei Weinberge an der Mosel zu kaufen. Die Lage war Matthias Kleemann ein Begriff, da er bei einer Verkostung an der Mosel just einen Wein vom Kinheimer Rosenberg positiv in Erinnerung hatte. Als er die Anzeige entdeckte, fuhr er daher sofort los. Es gab zahlreiche Anfragen, doch Kleemanns Begeisterung und Expertise, die er dazu mitbrachte, überzeugte die Verkäufer, ihm den Zuschlag zu geben. Durch die gänzlich anderen Herausforderungen dieser Lagen, erweitert Matthias Kleemann nicht nur das Weinangebot, sondern auch seine Erfahrungen und das Knowhow als Winzer. Der flache der beiden Weinberg ist aktuell verpachtet, um sich ganz auf den steilen und seine Ansprüche konzentrieren zu können. Durch Steilhanglage und Felsvorsprung ist bei einem der beiden Weinberge nicht möglich, mit Maschinen zu arbeiten. Das erste Jahr war ein Lehrjahr, da viele Bedingungen gänzlich anders als in Rheinhessen sind. So muss die Weinbergsarbeit mit den Terminen des Spritzplans abgestimmt werden, da dies mittels Hubschrauber geschieht. Auch die Bodenstruktur hält einige Überraschungen parat, nicht nur, was den Anbau, sondern auch die Bewirtschaftung angeht. Ein falscher Schritt und die Schieferplatten rutschen weg samt Mensch, der darauf steht. Matthias Kleemann sieht das Potential der Mosel-Weinberge und möchte dieses ausschöpfen. Hier unterstützt seine Lebensgefährtin Angelique ihn mit Worten und Taten, indem sie gemeinsam an die Mosel fahren, um dort zu arbeiten.
Die Arbeit mit den sehr unterschiedlichen Anbauflächen inspiriert die Winzerfamilie sehr, weil sie die Charaktere der Erzeugnisse davon zu schätzen wissen. Die zahlreichen Auszeichnungen spiegeln hier den Qualitätsstandart wider, den sich das Weingut Kleemann in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet hat. Bei Weinproben, bei denen Vater und Sohn nicht nur ihr Talent bei der Weinherstellung demonstrieren, sondern auch ihre Leidenschaft für Musik zeigen, kann Wein verkostet und kennengelernt werden. Hier wird die Weinprobe mit Saxophon, Klavier und Gesang begleitet. Ebenso bietet das Weingut Weinbergsfahrten, bei denen direkt der Wein dort ausgeschenkt wird, wo er gewachsen ist.
Wer gerne direkt einen guten Tropfen kaufen möchte, kann neben dem Onlineshop und der Möglichkeit direkt im Weingut einzukaufen auch 24/7 den Weinverkaufsautomaten in der Hauptstraße 7 in Gimbsheim nutzen.
Text: Sissi Steuerwald
Foto: Julia Hess Fotografie