Das ist manchmal schon fast wie an Weihachten
Sozialgarage Osthofen
Wir treffen Frau Christine Gölz und einige der Lebensmittelretter, um mehr über das Projekt der Sozialgarage in Osthofen zu erfahren. Angefangen hat es in ihrer privaten Garage. Mittlerweile ist das Projekt in einen kleinen Raum am Osthofener Festplatz gezogen, von dem aus die geretteten Lebensmittel an jedem Werktag um 20.15 Uhr verteilt werden.
Frau Gölz, wie ist die Idee, Lebensmittel zu retten, entstanden?
Eigentlich habe ich schon von klein auf immer versucht Lebensmittel zu retten oder auch Sperrmüll gesammelt. Vor einigen Jahren hat mir ein Mann dann im Gegenzug für den Basketballkorb, den ich verschenkt habe, ein gerettetes Brot mitgebracht.
Davor hatte ich bei foodsharing auch schon gesehen, wie viel an Lebensmitteln zu retten ist. Daraufhin habe ich mir irgendwann gedacht, dass ich das hier in Osthofen auch umsetzen möchte! So ist das Projekt der Sozialgarage dann im März 2018 entstanden.
Als Gründerin des Projekts, was für eine Rolle nehmen Sie mittlerweile ein?
Dieselbe Rolle, wie alle anderen Lebensmittelretter auch. Wir sind ein Team und eigentlich alle gleichgestellt. Ich habe die Sozialgarage zwar gegründet, aber wenn die Menschen auf mich zukommen und sagen: „Christine, du bist doch die Chefin des Projekts …“, dann antworte ich direkt, dass ich nicht diese Position habe, denn wir sind eine Gruppe und da hat jeder was zu sagen. Oft bin ich dann zwar trotzdem die erste Anlaufstelle und Verantwortliche, aber bei uns sind alle gleichgestellt. Nur als Team bekommen wir das hin.
Wo Sie schon beim Team sind – wie sieht das denn aus?
Unser Team besteht aus über 20 Rettenden und denjenigen, die sich darum kümmern, die Lebensmittel dann im Häuschen auszugeben. Es kommen auch immer wieder neue dazu.
Wie läuft das Ganze denn dann ab, wenn Sie Lebensmittel retten?
Jeder aus dem Team hat einen oder mehrere bestimmte Tage in der Woche, an dem er oder sie Lebensmittel rettet. Ich fahre beispielsweise montags. Das Retten der Lebensmittel läuft dann so ab, dass man abends mit dem Auto an den jeweiligen Supermarkt fährt und die Ware abholt. Da hat auch jeder Supermarkt eine andere Zeit vorgegeben. Weil in Worms und Westhofen eigenständig gerettet werden wollte, haben wir mittlerweile sechs Märkte, die wir anfahren.
Anja, eine der Lebensmittelretterinnen im Team, ist in der Zwischenzeit an der Sozialgarage mit geretteter Ware angekommen. Von Ihr möchten wir genauer wissen, wie die Abholung am Markt abläuft.
Wir kommen am Markt an und sagen Bescheid, dass die Sozialgarage aus Osthofen da ist. Daraufhin fahren Mitarbeiter einen Wagen voller Lebensmittel raus. Das ist manchmal schon fast wie an Weihnachten. Obst, Gemüse und auch Brot ist so gut wie immer dabei, aber auch noch wirklich viele anderemDinge, die oftmals nicht mal abgelaufen sind. Wir bekommen normalerweise immer mindestens drei Kisten voll. Es gibt aber auch mal Tage, da sind es über 20. Die meisten Dinge sind wirklich noch absolut genießbar, wo man sich echt oft fragt, warum das jetzt eigentlich weggeschmissen wird. Wie zum Beispiel hier die Tomatensuppe aus der Dose. Die läuft erst 2022 ab. Trotzdem gehen wir noch am Markt immer die Kisten durch und sortieren alles, weil natürlich auch mal eine aufgerissene Tomate dabei sein kann oder ähnliches. Das dürfen wir dann auch beim Markt lassen. Alles andere wird sortiert in das Auto geladen. Damit fahren wir dann zur Sozialgarage, wo nochmals sortiert und in die Regale gepackt wird. Dabei werden auch immer Handschuhe und Maske getragen, damit alles hygienisch ist. Dann dürfen sich die Menschen auch schon anstellen und das mitnehmen, was sie haben möchten. Beim Ausgeben der Lebensmittel wird außerdem darauf geachtet, dass fair verteilt wird, sodass auch der Letzte in der Reihe noch genügend mitnehmen kann.
Was wird denn meistens typischerweise gerettet? Oder ist das immer unterschiedlich?
Obst, Gemüse und Brot ist eigentlich immer mit dabei. Vor allem viel Schnittbrot. Aber auch mal Zucker oder Mehl, wenn die Packungen im Supermarkt aus Versehen aufgerissen sind. Das wird dann auch extra in Tüten gepackt, sodass man es noch gut transportieren und weiterverwenden kann. Wir hatten sogar schon Non-Food-Artikel, an denen nichts dran gewesen ist. Lichterleisten zum Beispiel, die man in der Küche unter die Schränke kleben kann. Die Leute freuen sich über sowas natürlich.
Das können wir uns gut vorstellen! Wer darf denn überhaupt alles zur Sozialgarage kommen und Lebensmittel abholen?
„Alle! Zu uns kommen junge Menschen, alte Menschen, Studenten … Jeder, der möchte, ist bei uns willkommen – ganz egal wer man ist oder wo man herkommt. Worauf es ankommt, ist das Retten der Lebensmittel.“
Bei meiner Recherche haben wir im Internet gelesen, dass Sie vor längerem mal vorhatten, einen Verein daraus zu gründen. Stimmt das?
Ja das stimmt. Aber leider ist das wie immer sehr viel Bürokratie, die da auf uns zukommen würde. Deswegen haben wir noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Schön wäre es aber auf jeden Fall, weil wir dann Spendengelder annehmen dürften. Damit könnten wir dann vielleicht irgendwann ein Auto finanzieren, denn das Team fährt immer mit dem eigenen Wagen. In dem kann es bei über 20 Kisten schnell mal an Platz mangeln oder Dinge umkippen und auslaufen. Das hätte also schon seine Vorteile.
Text und Bilder: © Wonnegauer Magazin