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Preissteigerungen am Bau

Ein ganz aktuelles Thema für die am Bau Beteiligten sind momentan die enormen Preissteigerungen von Baustoffen der letzten Monate. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in einer Pressemitteilung am 5.Juli 2021 angab, stiegen die Erzeugerpreise für Baustoffe wie Holz, Stahl oder Dämmmaterialien deutlich.

Konstruktionsvollholz verteuerte sich im Mai 2021 um 83,3 % im Vergleich zum Vorjahresmonat, Dachlatten um 45,7 % und Bauholz um 38,4 %. Nicht nur die gestiegenen Holzpreise, auch die Stahlpreise treiben die Kosten auf dem Bau in die Höhe: Betonstahl in Stäben war im Mai 2021 um 44,3 % teurer, Betonstahlmatten kosteten 30,4 % mehr als im Mai 2020. Betonstahl wird unter anderem zur Verstärkung von Bodenplatten, Decken oder Wänden eingesetzt.

Die Preise explodieren „in noch nie dagewesener Weise“, wie es der Geschäftsführer einer seit Jahrzehnten im Bauträgergeschäft tätigen Firma erst kürzlich formulierte.

Können nicht – so die Bauunternehmer, Bauträger etc. – die Preise einfach von uns an die Bauherren weitergegeben werden? Andernfalls droht uns ja der finanzielle Ruin, die Insolvenz! Müssen nicht – so die Bauherrenseite – die einmal vereinbarten Preise eingehalten werden, egal was passiert?

Jein oder, wie es Juristen formulieren: Das kommt darauf an.

Grundsätzlich sind geschlossene Verträge zu erfüllen. Das betrifft selbstverständlich auch die vereinbarten Preise. Würde man sich streng an den Grundsatz „Verträge sind zu erfüllen“ halten, dürfte es keine Preisanpassungen geben. Das geht an der Realität vorbei, weswegen es möglich sein muss, den Vertrag preislich anzupassen. Ganz schwierig ist aber die Frage: Wann, unter welchen Umständen, in welcher Höhe kann/darf/muss der Vertrag von wem preislich angepasst werden? Und dann die Folgen: Kann der Bauherr, der die neuen Preise nicht akzeptieren will oder auch nicht kann, sich einfach so vom Vertrag lösen oder entstehen dadurch Ersatzansprüche des Vertragspartners? Wie, wenn das Bauvorhaben noch nicht fertiggestellt ist? Was ist mit eventuell geleisteten Sicherheiten?

Es muss ein Ausgleich gefunden werden zwischen der Rechtssicherheit auf der einen Seite, wie sie sich aus dem Grundsatz „Verträge sind zu erfüllen“ ergibt und der Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite, wie sie sich aus der gleichbleibenden Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung während der Laufzeit eines Vertrages ergibt.

Als Lösung bietet sich der seit 01.01.2002 geltende § 313 BGB „Störung der Geschäftsgrundlage“ an, vor diesem Zeitpunkt bekannt als „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben). Sie diente nach dem Ersten Weltkrieg vor allem dazu, bestehende Vertragsverhältnisse den einschneidenden wirtschaftlichen Veränderungen der Inflationszeit anpassen zu können, später ganz allgemein der Vertragsanpassung an die nachträglich geänderten oder von den Vertragsparteien nicht erkannten Umstände. Allerdings war man sich bereits damals einig, dass durch diese Vertragsanpassung nicht der Grundsatz „Verträge sind zu erfüllen“ ausgehebelt werden durfte, denn die Vertragsparteien sollten auch weiterhin nur in engen Grenzen von ihren Vertragsrisiken entlastet werden.

Verlangt werden vertragswesentliche Umstände, die nicht Vertragsinhalt waren, sich nachträglich geändert haben, ein Vertragsschluss bei Voraussicht dieser Änderung nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen worden wäre und das unveränderte Festhalten am Vertrag für einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein muss. Von einer Unzumutbarkeit ist nur dann auszugehen, wenn das Festhalten am Vertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde, andernfalls bleibt es bei dem Grundsatz „Verträge sind zu erfüllen“. Für die Beurteilung der Unzumutbarkeit spielt es auch eine Rolle, ob die betroffene Partei bewusst ein riskantes Geschäft mit möglicherweise spekulativem Charakter geschlossen hat und ob eine Veränderung der Umstände zumindest als möglich vorhergesehen werden konnte.

Beim Lesen wird klar: Das ist nicht einfach!

In dieser Situation rate ich an, sich gemeinsam mit seinem Vertragspartner und einem Anwalt seines Vertrauens an einen Tisch zu setzen und gemeinsam unter Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung eine Lösung zu finden.

Meines Erachtens gilt das Finden gemeinsamer Lösungen besonders im Bauvertragsrecht, denn hier herrscht die sogenannte „Kooperationspflicht“. Sowohl der Besteller wie auch der Unternehmer haben die Verpflichtung zur Kooperation. Entstehen während der Vertragsdurchführung Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien eines Bauvertrages über die Notwendigkeit oder die Art und Weise einer Anpassung des Vertrages oder seiner Durchführung an geänderte Umstände, sind die Parteien grundsätzlich verpflichtet, durch Verhandlungen eine einvernehmliche Beilegung der Meinungsverschiedenheiten zu versuchen (BGH, Urt. v. 28.10.1999 – VII ZR 393/98). So kann etwa die unberechtigte Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags als schwerwiegende Verletzung der baurechtlichen Kooperationspflicht einen wichtigen Grund zur Kündigung des Bauvertrags darstellen und Schadensersatzansprüche auslösen (OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2011 – 1 U 154/10).

Text: © Anke Knorpp
Bild: ©
Michael Jarmoluk | Pixabay