Persönlich und pro Frau: LaCoeur Secondhand in Mettenheim

Lea Keim öffnet ihre Haustür, um Frauen in ihrer Boutique im ersten Stock ihres Privathauses einzuladen. Hier bietet sie Frauen die Möglichkeit ohne Stress und Hektik sich von ihren neuen, gebrauchten Kleidungsstücken finden zu lassen. Für sie ist Secondhand ein Beitrag zu Nachhaltigkeit in unserer Region und, um Frauen glücklich zu machen.

Familie und die Boutique sind untrennbar miteinander verbunden. Wie kam es dazu, in Mettenheim sesshaft zu werden und LaCoeur zu gründen?

2012 haben wir dieses Grundstück gekauft. Wir haben damals beide in Worms gearbeitet und ich wollte unbedingt in Rheinhessen bleiben. Ich liebe einfach Rheinhessen! Ich war gerade erst zwanzig, frisch mit dem Studium fertig, als wir auf die Bank gingen und dieses Grundstück sicherten. 2015 haben wir gebaut und 2019 unsere Familie gegründet. Wo jetzt die Boutique ist, war zu Beginn das Schlafzimmer. Ich stand hier und hatte damals schon die Idee von Secondhand. Ich sagte abends zu meinem Mann: „Du, ich habe da eine Idee.“ Er konnte es sich gar nicht so richtig vorstellen. Ich bin ein Kopfmensch und visualisiere mir viel. So, wie wir hier jetzt stehen und wie es aussieht – genauso habe ich mir das auch vorgestellt. Mein Mann ist mittlerweile absolut begeistert und stolz. Im November letzten Jahres haben wir LaCoeur Secondhand offiziell eröffnet.

Warum eine Secondhand Boutique?

Ich finde einfach die Idee, die dahintersteht, super und wollte hier in Rheinhessen so ein cooles Konzept, das verbindet. Denn Secondhand ist ja nicht nur einseitig. Auf der einen Seite habe ich Kunden, von denen ich Ware annehme und auf der anderen Seite jene, denen ich diese Ware weiterverkaufe. Das bedeutet, ich lebe in einem Netzwerk von supertollen Frauen, die mir Vertrauen schenken, indem sie mir ihre Schätze anvertrauen.

Sie nehmen also die Ware in Kommission?

Wie wählen Sie dabei aus? Wir machen einen Warenannahme-Termin aus für maximal zwanzig Teile und das sollten schon gute, qualitative Schätze sein. Es können aber auch Einzelteile sein. Ich mag Termine zur Warenannahme genauso gerne, wie die zum Shoppen. Weil beides einfach total schön ist und die Boutique davon lebt.

Bedeutet das, dass die Kleidung auch Geschichten mit sich bringen?

Ja. Also die schönste Geschichte – da bekomme ich Gänsehaut – war eigentlich, als eine Kundin zu mir kam. Sie hat ein Set mitgebracht und sagte: „Lea, das ist aus Chile.“ Sie war damals von der Kirche aus dort unterwegs und hat dort gestöbert. Sie hat an Chile wunderbare Erinnerung. Und das war für mich eine Ehre, das Set entgegenzunehmen. Die Kleidung war damals schon Secondhand, ist also jetzt Secondsecondhand. (Sie zeigt den Rock und die passenden Schuhe.) So kommt man auch immer ins Gespräch. Es kommt schon aufs Kleidungsstück an. Manchmal ist es eine Marke und die Kundin sagt, sie hat es gekauft und habe es noch nie getragen. Diese nehme ich dann an, und andere freuen sich, wenn sie ein Markenschnäppchen machen können. Manche Sachen verkaufe ich wirklich dann aber auch mit Geschichte weiter. Das älteste Kleidungsstück ist von meiner Tante. (Wir gehen ins Nebenzimmer, wo Lea einen Rock hochhält.) Sie ist in den 50ern großgeworden und von da ist noch dieser Rock da.

Wie genau läuft das für den interessierten Käufer ab, wenn Termine vereinbart werden müssen?

Das Problem war immer, dass das ja mein Privathaus ist. Ich kann nicht immer Öffnungszeiten anbieten. Das konnte ich nicht mit mir und meiner Familie vereinbaren, dass ich sage, ihr könnt immer vorbeikommen von 10 bis 18 Uhr, zum Beispiel. Weil ich auch die Privatsphäre ein bisschen schützen wollte. Ich wollte es aber auch zugänglich machen. Es sollte natürlich leben, dieses Konzept. Denn es wurde auch immer mehr und mehr gelebt. Und dann habe ich gesagt, ich mache jetzt grundsätzlich Termine. Am Anfang war ich so unsicher und habe mich gefragt: Bin ich jetzt ein Laden, weil ich keine festen Öffnungszeiten habe? Bin ich so kundenorientiert und flexibel? Doch es wird genauso angenommen und meine Kunden sagen: Genau das ist das Flexibelste, was es überhaupt gibt. Entweder melden sich die Kundinnen bei mir und fragen nach einem Termin. Dann sage ich manchmal „Oh ja, ich hab‘ jetzt noch Zeit. Komm doch vorbei. Du bist willkommen.“ Andererseits schaue ich jede Woche in meinen Kalender und stelle freie Shoppingtermine online. Darauf können sich die Kunden dann auch melden. Zusätzlich kann man auch auf meiner Homepage Termine buchen. Man bekommt eine Buchungsbestätigung und kommt zu seinem Termin. Ich mache das nämlich nicht hauptberuflich. Ich bin noch Teilzeit angestellt. Deshalb muss ich gucken, wann ich im Büro bin. Da kann ich natürlich keine Termine vergeben.

Wie findet die interessierte Frau LaCoeur?

Es gibt eine Homepage, auf der Anfragen gestellt werden können, die ich per E-Mail beantworte. Aber ich nutze für den Kontakt bevorzugt Instagram. Diese ist meine Just-in-time-Kommunikationsplattform, weil ich direkt da bin und Antwort geben kann. Allerdings nutze ich dort nicht das Shop-Portal. Der Charme bei mir ist natürlich, dass die Kundin sich die Bluse nicht nur ansehen, sondern auch fühlen kann. Die Kunden, die hier ankommen, ziehen erst einmal unten die Schuhe aus. Dann kommen sie hoch. Ich mach‘ uns ein Käffchen. Sie bringen ihre Babys mit. Das ist so toll.

Meine Kleine freut sich immer, wenn eine Mama mit Baby kommt. Die Mama kann eine halbe Stunde in Ruhe shoppen und mein Kind unterhält dieses Baby dreißig Minuten. Das jüngste Baby war heute Morgen da – vier Wochen alt. Und die sind einfach dankbar. Sie sagen sich: Ich muss mir jetzt nicht den Stress machen, in die Stadt fahren, einen Parkplatz finden, sondern ich kann hier ankommen und einfach in Ruhe shoppen. Das geht halt mit Terminen. Viele nutzen dafür Instagram und schreiben mich an. Wenn neue Ware kommt, stelle ich auch etwas online. Manchmal ist diese dann reserviert, bevor ich etikettiert habe. Wobei, ich gestehe, ich bin auch selbst mein bester Kunde.

Findet jede Kundin immer irgendetwas oder fahren auch manche weg und sagen: „Schade, heute war hier nichts für mich“?

Ich glaube, eine einzige Kundin hat bei ihrem Besuch nichts gefunden. Sie hatte Sachen abgegeben und danach etwas gestöbert und dabei nichts gefunden. Aber ansonsten findet hier jeder was. Ich sag‘ immer: Das Kleidungsstück findet dich. Ich liebe das einfach. Hier kann man in Ruhe schauen und anprobieren. Und dann gehen sie hier glücklich raus. Manchmal vielleicht sogar mit einem Jumpsuit, den sie online für sich nie gesucht hätten.

Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit?

Der erste Aspekt war tatsächlich dieses Thema. Ich habe irgendwann angefangen, selbst nur noch Secondhand einzukaufen, weil ich dieses Thema fast Fashion und dieses ganze Onlineshopping nicht mehr unterstützen wollte. Denn Secondhand ist nachhaltig, es existiert schon und muss nicht extra produziert werden. Ich muss nicht jedem neuesten Trend hinterherjagen. Wenn man dran denkt, wie viel Millionen Stücke in China für einen produziert werden. Und dann kommt ein neuer Trend, und die alten Sachen werden weggeschmissen. Wahnsinn, dieser Markt. Und dann habe ich es hier in Rheinhessen eingebracht.

Das zweite Thema ist der Wohlfühlfaktor. Ich bin eine stolze 42. Und ich hatte Probleme, beim Einkaufen die passende Größe zu finden. Ich greife nach einer 42. Die passt nicht. Nehme dann 46, dann 48. Das kann es doch nicht sein. Es muss doch einen Weg geben, um Klamotten zu finden, die einem passen. All das, was hier ist, wurde ja schon getragen. Sie wurden von echten Frauen getragen. Das ist kein Teil, wo ich in der Umkleidekabine stehe und mich frage: Bin ich überhaupt hübsch? Warum passt es allen anderen, aber mir nicht?

Bei mir kann jeder ankommen, wie er ist. Ich bin dankbar auch für eine Größe 48, die hier abgegeben wird. Hier muss sich keiner schämen. Weil es auch Frauen mit diesen Größen gibt, die herkommen und froh sind, wenn sie etwas finden. Ich bin pro Frau. Ich nehme mir Zeit für meine Kunden. Gemeinsam schauen wir, was kannst du tragen? Was steht dir? Wegen dir und nicht wegen des Kleidungsstücks. Ich habe versucht, das alles umzukehren: Das Kleidungsstück findet dich, weil du diese tolle Figur hast und nicht, weil du es gerne hättest, aber nicht die Figur dafür hast. Deswegen lade ich diese tollen Frauen in mein Haus ein, damit diese ankommen können, genau so wie sie sind und nicht wieder weggeschickt werden, weil ihre Maße nicht Standard sind.

Nachhaltigkeit erkenne ich aber auch in den Dekogegenständen. Was hat es mit dem kreativ auf der Visitenkarte zu tun?

Kreatives und Upcycling. Ich habe zum Beispiel Teller – ein Startprojekt. Diese alten Teller hätten weggeschmissen werden sollen und ich habe gesagt: „Nee. Ich probiere es mit meinem persönlichen Witz und Charme.“ Diese habe ich selbst bemalt und das ist auch meine Handschrift auf den Tellern und Tassen. Es wird auch lustigerweise angenommen. Ab und an male ich auch im Auftrag Bilder. Damit mache ich aber keine Werbung. Es ist einfach ein Teil von mir.

Gibt es schon feste Stammkundinnen?

Ja, und das in der Kürze der Zeit. LaCoeur feiert im November erst Einjähriges. Und teilweise sagen sie auch: „Du kennst meine Größe und mein Stil – schreib einfach.“ Und ich schreib‘ auch. Dafür ist auch Instagram gut. Ich sehe beim Schreiben immer die Frau vor mir. Es gibt aber auch viele Neukunden. Einmal hat eine Frau einfach geklingelt und hat dann auch etwas gefunden.

Möchten Sie LaCoeur irgendwann vergrößern?

Ich habe eine Familie, bin fest angestellt und bin gerne dort. Deshalb möchte ich nicht vom Raum größer werden. Aber ich möchte größer werden vom Verständnis, auf Secondhand umzusteigen. Bevor ich jetzt irgendwo online suche, gehe ich erst einmal hierher und schaue, ob es da etwas gibt. Darin möchte ich wachsen. Für die Region.

Drei Wochen nach dem Interview, telefonieren Lea und ich erneut, denn unverhofft kommt oft, so auch bei ihr.

Neben der Secondhand Boutique wird es zukünftig auch eine eigene Modekollektion geben?

Das war auch total kurz entschlossen. Ich bin ein absoluter Kopf- und Herzensmensch. Wir waren im Urlaub und ich saß abends mit meinem Mann auf dem Balkon und sagte: „Ich würde so gerne eine eigene Kollektion herausbringen.“ Aber ich habe ein paar eigene Kriterien, die ich bewahrheitet haben wollte, und zwar, dass es von Frauen geführt ist, dass es faire Arbeitsbedingungen sind und keine Massenware ist. Jetzt habe ich weltweit kleine Labels gefunden, die ausschließlich von Frauen geführt sind und nur eine kleine Menge produzieren. Diese habe ich angeschrieben und die ersten haben mir jetzt bis nach Mettenheim ihre Sachen geschickt, die ab dem 15. Juli in meinem Onlineshop sind. Da steckt ganz viel Herz dahinter und ich hoffe, dass es gut ankommt und der Onlineshop auch als zweite Verkaufsplattform genutzt wird. LaCoeur ist auf Instagram @lacoeursecondhand und auf der Homepage www.lacoeursecondhand.com zu finden.

Text: © Sissi Steuerwald
Bilder: © Sissi Steuerwald