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Wer gesunde, robuste und ertragssichere Rebstöcke haben will, sollte sich vor allem um den Boden kümmern. Aber wie? Andreas Huppert fand einen ungewöhnlichen Weg: Der Winzer peppt seine Weingärten mit selbst gemachter Terra preta auf.
„Normalerweise geht das schneller“, brummt Andreas Huppert und fuchtelt ungeduldig mit dem Grillanzünder in dem Stapel mit den Zweigen herum. Der Winzer hockt in einer gut einen halben Meter tiefen Grube, in der er zuvor alten Holzschnitt aufgeschichtet hat. Jetzt hält er den Anzünder immer wieder unter besonders feine Zweige. Irgendwann hat Huppert Glück, und Flammen breiten sich aus. Kaum ist etwas Glut entstanden, legt er sich neben den Stapel und pustet hinein. Schließlich lodert das Feuer.
Noch ehe es vollständig heruntergebrannt ist, verteilt Huppert die jetzt weißlichen Astskelette auf dem Boden der Grube und schichtet neues Totholz darauf. „Jetzt brennt nur die obere Schicht, weil die Luft nicht mehr bis unten kommt“, erklärt Huppert, während er von einem nahe gelegenen Haufen mit Rebschnitt und Holzabfällen weiteres Material heranschafft. Als auch die zweite Schicht einigermaßen heruntergebrannt ist, verteilt er die Kohlereste wieder gleichmäßig über die gesamte Breite und wirft neues Frischholz darauf.
Das Schauspiel wiederholt sich so oft, bis die gesamte Grube voller Holzkohle ist. Als auch die Äste der oberen Schicht einen weißen Farbton angenommen haben, löscht Huppert mit einem Wasserstrahl ab, damit die Kohle nicht verbrennt. Mit der hat er schließlich etwas anderes vor.
Andreas Huppert betreibt im rheinhessischen Gundersheim in mindestens sechster Generation ein Weingut mit derzeit 13 Hektar Rebfläche, rund 70 Prozent davon mit weißen Sorten. Wer den Hof direkt im Ortskern betritt, dem sticht als Erstes der sonnengelbe Fiat 500 ins Auge. „Der ist von 1965 – ein Jahr älter als ich“, erklärt Huppert mit sichtlichem Stolz auf seinen charismatischen Oldtimer. Direkt daneben geht es in den Verkostungs- und Verkaufsraum.
Etwa die Hälfte seiner Lese verkaufe er direkt oder als Fasswein an eine Winzergenossenschaft, so der Rheinhesse. „Den Rest verarbeiten wir selbst.“ Beim Blick in die Regale fallen die unterschiedlichen Etiketten auf. Auf einigen steht „Huppert Gundersheim“, auf anderen „Terra Preta Weingut Huppert“. Die Erklärung ist einfach: Den Namen „Terra Preta“ verwendet Huppert noch nicht lange.
Terra preta ist die portugiesische Bezeichnung für die sagenumwobene schwarze Erde am Amazonas. Wissenschaftler waren bei archäologischen Ausgrabungen vor mehr als 140 Jahren darauf gestoßen. Sie fanden fruchtbare Erde inmitten karger, nährstoffarmer Böden. Das war lange Zeit ein Rätsel, doch inzwischen weiß man: Die Ureinwohner Südamerikas reicherten schon vor Jahrtausenden Erde mit einem Gemisch aus Pflanzenresten, Dung, Fäkalien von Menschen und Tieren, Knochen, Tonscherben sowie Kohle aus Herdstellen an. Diese Kohle kann über einen langen Zeitraum die Nährstoffe speichern, die bei der Zersetzung der organischen Abfälle entstehen – und damit die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig verbessern.
Mittlerweile wird vielerorts versucht, diesen Prozess nachzustellen, um Böden aufzupeppen. Andreas Huppert begann 2018 damit, inspiriert von einem Nachbarn – einem Nebenerwerbsobstbauern. Das Herstellen von Holzkohle ist dabei nur ein Aspekt. „Daneben braucht man noch organische Abfälle – und Mikroorganismen, die diese Abfälle fermentieren“, erklärt Huppert. Die Abfälle bekommt der Winzer aus unterschiedlichen Quellen: Grünschnitt vom BUND, Bioabfälle und Laub von der Gemeinde, außerdem Pferdemist und einiges mehr.
Die Mikroorganismen kann man unter dem Namen „Effektive Mikroorganismen“ kaufen. Das Holz wiederum, mit dem er die Kohle produziert, stammt teils aus seinen eigenen Anlagen. Mitunter sind es mit Esca befallene Rebstöcke, die herausgerissen werden mussten.
In länglichen rechteckigen Rotten mischt Huppert die organischen Abfälle dann mit der zerkleinerten Holzkohle und begießt das Ganze mehrfach mit der Mikroorganismen-Lösung. Im Spätherbst deckt er die Rotten mit Spargelfolie luftdicht ab und überlässt sie sich selbst. Wie eine Silage. Im Frühjahr ist die „Terra preta made by Huppert“ fertig und wird mit der Kreiselegge in den Boden um die Rebstöcke eingearbeitet. „Danach säen wir direkt eine Begrünung“, so Huppert.
Knapp zehn seiner 13 Hektar hat er inzwischen damit behandelt. Jedes Jahr komme etwa ein Zentimeter schwarze Erde hinzu. Huppert würde gerne mehr eintragen, aber dazu reicht sein Ausgangsmaterial derzeit nicht aus.
Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass sich der Eintrag von Biokohle positiv auswirkt, etwa auf die Mengen Stickstoff, Kalium und Phosphor im Boden, auf die Bodenlebewesen – und auf die Erträge. Dass dies auch im Weinbau zutrifft, legt eine 2019 veröffentlichte Studie aus der Toskana nahe.
Doch die Erntemenge steht für Andreas Huppert gar nicht im Vordergrund. „Mir geht es vor allem um gleichmäßiges Wachstum. Und darum, dass die Reben auch in langen Trockenperioden gut mit Nährstoffen und auch Wasser versorgt werden.“ Beides, Nährstoffe und Wasser, werde an der Biokohle viel besser und dauerhafter gespeichert als in normalen Böden. Schließlich besitzt das hochporöse Material eine enorm große Oberfläche. Bei einem einzigen Gramm sind es bereits mehrere Hundert Quadratmeter. Und – ganz wichtig: Auch Starkregen wäscht die Schwarzerde nicht aus.
Andreas Huppert ist vermutlich nicht der einzige deutsche Winzer, der mit Terra preta experimentiert. Doch er war der Erste, der sich die Domain terrapretawein.de gesichert hat. Ein gelungener Coup. Aktuell sind bereits drei erste echte Terra-preta-Weine im Sortiment. Das neue Terroir kostet allerdings auch 30 Euro je Flasche.
Aber das Wichtigste ist für Huppert der Beitrag zur Nachhaltigkeit. Und die besteht nicht nur darin, dass Terra preta die Böden fruchtbar erhält. Biokohle besteht schließlich aus Kohlenstoff, der bei vollständiger Verbrennung als CO2 in die Atmosphäre gelangt wäre. Laut International Panel on Climate Change (IPCC) könnte der weltweite Eintrag von Biokohle in Böden jährlich 2,6 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen vermeiden. Das wären etwa sieben Prozent der weltweiten Emissionen. „So gesehen ist unser Ansatz auch ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Huppert stolz. Und soll dabei helfen, das Terra-preta-Weingut klimaneutral zu machen.
Text: INNOVINO 04/2023
Bilder: Klaus Gamber