Wonnegauer Magazin - Feb./März 2023

Wonnegauer Magazin 23 paddeln. Wäre eine ein Mann, die andere eine Frau, würde sofort gefragt werden, wer sitzt vorne, wer hinten und wer bestimmt die Richtung. Das will ich nicht. Darum geht es nicht. Es geht um das Menschsein. Daher ist zuerst die Idee da, manchmal auch ein Gefühl. Es gibt eine Arbeit, die „Hoffnung“ heißt, eine die „Vertrauen“ heißt oder sie haben etwas mit den aktuellen Geschehnissen zu tun. Die neueste Arbeit, die jetzt im Oktober fertig geworden ist, von der ich vorhin erzählte, heißt „Spalter“. Es geht hier um Spaltung, was uns alle gerade beschäftigt. Die Idee ist vielleicht eher etwas Poetisches. Kommen Sie in Austausch oder Dialog mit Menschen, die sich Ihre Skulpturen betrachten? Ja, immer, wenn ich es ausstellen kann. Das ist auch cool. Meine Frau, die sehr weise ist, hat gesagt, ich soll aufhören meine Arbeiten zu erklären. (Er lacht.) Und damit hat sie auch Recht. Es ist nämlich sehr spannend, was die Leute darin sehen. Das ist manchmal ganz anders, als das, was ich dachte, als ich sie gemacht habe. Das Spannende ist aber, dass das auch genau da drin ist. Manchmal ahnt man und sieht man eine Richtung, die darin steckt. Ich bin auch schon gefragt worden: „Sind Sie religiös?“, weil man das sieht. Klar, bin ich. Aber ich möchte das nicht wie einen Bauchladen vor mir hertragen. Wenn man das in den Arbeiten sieht, ist das genau richtig. Ich hatte bei meiner ersten größeren Ausstellung in der Sparkasse in Worms eine Arbeit ausgestellt. Bei dieser steht eine Figur unter einer Glasglocke und ruft. Sie schreit förmlich. Die Arbeit heißt „Unerhört“. Eine Frau kam auf mich zu und sagte: „Als ich das sah, musste ich weinen.“ Da war ich erst erschrocken. Und dann sagte sie: „Mein Bruder ist psychisch krank und er erzählt, dass es ihm genauso geht.“ Das war der Hammer. Und solche Sachen erlebst du dann auch, wo du denkst, dass hätte ich besser nicht machen sollen. Aber die Frau hat das so berührt. – Oder eine Arbeit, wo auf einer alten Sichel eine Figur sitzt und Flöte spielt. Es sieht fast aus, als säße sie auf einem Mond. Diese Arbeit war zum Aufhängen gemacht und hieß „Alles hat seine Zeit“. Das war die erste verkaufte Arbeit überhaupt auf der Ausstellung in der Sparkasse. Diese hat ein Mann für seine Frau gekauft, die krebskrank war. Er sagte, zuerst hätte sie eine andere haben wollen. Aber sie hat dann „Alles hat seine Zeit“ haben wollen: „Jetzt ist die Zeit das Leben zu genießen, so lange es noch geht.“ So etwas passiert dann auch. Das ist natürlich fantastisch. Nicht fantastisch, dass die arme Frau krank ist, aber, dass so eine Arbeit einen anderen Menschen so bewegen kann. Das Ziel für mich wäre, wenn sich jemand meine Arbeit hinstellt und immer, wenn er daran vorbeiläuft, ein bisschen nachdenken muss. Das wäre schön. Oder, dass er sich freut – immer, wenn er sie sieht. Und das funktioniert schon. Ich bin da selbst verblüfft. So gesehen macht das Spaß. Fließt das kreative Schaffen unentwegt? Während Corona war das wie ein Stock in den Speichen. Da war ja nichts mit Ausstellungen und die Galerie hat nichts verkauft. Ende Februar, Anfang März werde ich nochmal nach Osnabrück fahren und mal schauen. Eine Arbeit hätte ich gerne bei der Ausstellung in Mainz, wenn sie sie bis dahin nicht verkaufen. Ja und das Corona war das Ding, was mich ziemlich ausgebremst hat. Das hörte ich auch von Kolleginnen und Kollegen. Ich habe da wenig gemacht. Es gibt Jahre, da habe ich jeweils zehn, zwölf Skulpturen gemacht und jetzt habe ich in den letzten drei Jahren vielleicht fünf gemacht. Es fehlte dieser Ansporn. Ich machte sie quasi, um sie nachher zu verpacken und auf den Speicher zu stellen. Ganz davon abgesehen, dass nichts verkauft wird. Es geht nicht um den Verkauf. Immerhin muss ich nicht davon leben. Man freut sich natürlich schon, wenn jemandem die Arbeit so viel wert ist, dass er bereit ist dafür Geld zu zahlen.

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