Weingut Gutzler ist kein typisch rheinhessischer Betrieb, der auf unzählige Generationen zurückblicken kann, sondern mit Herz, Wille und einer Strategie hin zur Qualität aus einem Gemischbetrieb gewachsen ist.

Nach dem Krieg wurde der Großvater des heutigen Winzers Michael Gutzler adoptiert. Damals waren Selbstversorgerbetriebe mit Acker, Viehzucht und eben auch Wingert nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ende der 70er-Jahre stieg dessen Sohn Gerhard Gutzler in den Betrieb mit ein. Dieser fokussierte stark den Weinbau. Die Viehzucht existierte schon nicht mehr und der Ackerbau wurde aufgegeben. Inspiration holte sich Gutzler damals in der Champagne, was zur Folge hatte, dass erste Sekte neben dem Wein produziert wurden. Zudem änderte er die Rebsortenstrukturen und setzte auf klassische Rebsorten, wie Burgunder, vor allem Spätburgunder und Riesling. Dies bedeutete neben finanziellem Einsatz auch harte Arbeit, da ganze Weinbergsflächen gerodet werden mussten.

„Mein Vater ist damals schon andere Wege gegangen“, erinnert sich Michael Gutzler im Gespräch, „indem er gesagt hat: Ich geh’ in den Handel, ich geh’ in die Gastronomie und verkaufe dort meinen Wein, was damals oft belächelt wurde.“ Gleichzeitig hat er nicht auf Ertrag, sondern auf Qualität gesetzt, obwohl damals die Fasspreise ansprechend hoch waren und Flaschenweinverkauf mehr Anstrengung und Einsatz erforderte. Heute würden die Winzerkollegen nicht mehr den Kopf schütteln, da ein Umdenken in der Branche stattgefunden hat. Vor dreißig bis vierzig Jahren war dies allerdings Pionierarbeit.

Michael Gutzler ging 2000 in die Lehre. Der Winzer sammelte nicht nur im eigenen Betrieb Erfahrungen und bei der Ausbildung in der Pfalz, sondern unter anderem auch bei Praktika in Luxemburg, an der Ahr oder in Südtirol. 2004/2005 stieg er komplett in den Familienbetrieb ein. Weinberge, die verpachtet waren, holte er zurück. Heute führt er das Weingut zusammen mit seiner Frau Christine, nachdem Gerhard Gutzler 2017 leider zu früh verstorben war. Konsequent setzten Christine und Michael Gutzler das fort, was in der vorherigen Generation aufgebaut worden war – alles mit Hinblick darauf Weine mit einer einzigartigen Qualität auszubauen und anzubieten, die für sich selbst sprechen. „Wir wollen uns noch mehr unserer Zielsetzung widmen, in die deutsche Spitze zu kommen, gerade mit Spätburgunder“, betont Michael Gutzler. Auf dem Weg dahin hat das Weingut schon einiges erreicht: seit 2006 ist das Weingut Gutzler im VDP und seit 2014 ein Biobetrieb. Hierbei werden die eigenen Maßstäbe sehr hochangesetzt, um den gewünschten Qualitätsstandart zu erreichen. Sie verzichten bewusst auf Erträge, sodass der Durchschnittsertrag bei rund 7.500 Liter pro Hektar Wein liegt, oftmals liegt er nur bei 5.500 bis 6.000 Liter aufgrund von saisonbedingten Entscheidungen.

Ein weiterer Fokus zur Qualitätssteigerung ist die Dichtpflanzung, mit der 1995 bereits begonnen wurde. Hier wurde der Stockabstand auf 65 cm heruntergesetzt, um mehr Rebstöcke pro Hektar zu bekommen und dadurch die Einzelstockbelastung, um fast die Hälfte herunterzusetzen. Das bedeutet, dass knapp 8.500 Stöcke pro Hektar gesetzt werden, während üblicherweise nicht einmal die Hälfte auf dieser Fläche stehen, mit einem Meter bis 1,2 m Stockabstand. Dies ist schwieriger in der Bearbeitung, aber die Dichtpflanzung hat auch ganz klare Vorteile, wie Michael Gutzler findet. Nach dem Vorbild aus Frankreich, wo etwa der Burgunder mit fast 11.000 Reben pro Hektar gesetzt wird. „Hier kommen wir nicht ganz hin, da unsere Maschinen einen gewissen Zeilenabstand brauchen“, erklärt Michael Gutzler. „Aber wir gehen in die Richtung. Durch die gesunde Konkurrenz wurzelt die Rebe tiefer und holt sich aus tieferen Erdschichten Wasser sowie auch Nährstoffe.“ Dies hat in den Extremjahren, die immer häufiger vorkommen und große Trockenheit herrscht, weitere Vorteile. Die Weinberge, in denen derart dicht gepflanzt wurde, stehen viel robuster, werden besser versorgt und liefern dadurch auch Trauben mit viel besserer Qualität. Zu Beginn ging es hauptsächlich um viel Durchwurzelung, um mehr und besser Mineralstoffe aufnehmen zu können. Heute hat sich gezeigt, dass eben jene Trockenphasen zu überstehen ein riesiger Pluspunkt ist. Das, was einen guten Wein ausmacht, muss in die Trauben transportiert werden, dazu gehören neben Wasser auch die Inhaltsstoffe. Das Ergebnis spricht für sich. Mit Blick in die Zukunft werden sicherlich mehr Betriebe schauen müssen, wie sie ihre Anbaustrategie anpassen, da sich abzeichnet, dass diese extremen Trockenphasen keine Ausnahmen mehr darstellen werden. Doch das braucht Zeit. Hier hat das Weingut Gutzler den Vorteil, dass die Reben bereits vor rund dreißig Jahren in Toplagen gepflanzt wurden und hier schon auf gute Sorten gesetzt wurde. Sei es Morstein, Brunnenhäuschen oder Höllenbrand – diese Lagen stehen für deutsche Spitzenweine.

Insgesamt bewirtschaftet Gutzler 19 Hektar. Der Spätburgunder ist die Hauptrebsorte und steht auf 40 Prozent der Gesamtfläche, gefolgt von Riesling mit circa 26 Prozent. Der Rest verteilt sich auf Weißburgunder, Grauburgunder, Silvaner und die historischen Rebsorten und ein paar internationale Rotweinsorten wie Cabernet oder Merlot. Wichtig ist auch der fast 40 Jahre alte Chardonnay für das Weingut, da sich in den trockenen Jahren gezeigt hat, dass dieser hervorragend funktioniert und sehr robust ist, was die Trauben- und Rebstrukturen angehen. Dies zeigt deutlich, dass Ziele durchaus verfolgt werden können und gleichzeitig Weiterentwicklung Offenheit für Neuerungen bedeutet. Manchmal bedeutet allerdings auch ein neuer Weg den Blick in die Vergangenheit. So findet sich im Angebot Gutzlers auch drei historische Rebsorten: Blauer Arbst, Fränkischer Burgunder und Schwarzblauer Riesling. Sie sind nicht nur ein Beitrag zum Erhalt der Sortenvielfalt, sondern auch ein Teil der regionalen Identität. Hier arbeitetet das Weingut mit Rebveredler Ulrich Martin aus Gundheim zusammen.

Michael Gutzler ist es wichtig, dass der Bestand so gepflegt wird, dass die Reben alt werden können. Zudem wird nachgepflanzt, sodass die Weinberge immer vollstehend mit Reben sind. Ziel ist es, dass sie ein hohes Rebalter entwickeln. Das nicht ohne Grund, denn auch hier greift Gutzlers Erfahrung ein. Nachdem er in den Betrieb eingestiegen war, hatte er verpachtete Anlagen zurückgeholt, rekultiviert und konnte sich von der besonderen Qualität dieser alten Rebstöcke und deren Erzeugnisse überraschen lassen. „Es ist Wahnsinn, was für Weine von den alten Rebsorten hervorkommen. Die Weine werden noch strukturierter, noch konzentrierter, noch vielfältiger und auch noch lagerfähiger. Bevor ich die Anlage übernahm, hätte ich das nicht gedacht.“ Für den Dorn Dürkheimer Silvaner, der aus 90 Jahre alten Rebstöcken stammt, wird derzeit ein Jubiläumsetikett entworfen. Ab September kann sich jeder Weinliebhaber selbst vom Geschmack überzeugen lassen. Es wird nur 596 Flaschen geben. Es ist keine Riesenparzelle, aber mit viel Hingabe und Leidenschaft wie alle Weinberge von Gutzler bewirtschaftet.

Neben den Weinen ist die Destillerie auch ein kleines, liebgewonnenes Herzensprojekt von Gutzler. In den 90er-Jahren kam es eher durch Zufall in den Besitz des Weinguts. Es war nicht forciert worden, sondern der bevorstehende Verkauf einer Abfindungsbrennerei in der Pfalz wurde Michael Gutzlers Vater zugetragen. Der aufstrebende Winzer konnte sich diese Chance nicht entgehen lassen und kaufte die Destillerie. 1994/95 war er Europas zweitbester Brenner. Auch hier zeigt sich, wie stark die Qualität und das Streben danach von Beginn an im Fokus stand. Michael Gutzler hat es von der Pike auf bei seinem Vater gelernt, sodass es heute neben Wein und Sekt auch Brände im Weingut zu erwerben gibt.

Das Weingut ist zur Besichtigung und zur Verkostung seiner Erzeugnisse von Montag bis Samstag nach Absprache geöffnet, damit sich Christine oder Michael Gutzler auch Zeit nehmen können.

Weitere Informationen zum Weingut und zu besonderen Events finden sich auf www.gutzler.de

Text: Sissi Steuerwald
Foto: Weingut Gutzler