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Unser Sommerinterview mit der Mediatorin Dr. Angela Scheugenpflug über die Kraft der Familienmediation

Daniela Ringe: Frau Dr. Scheugenpflug, Sie arbeiten seit vielen Jahren als Mediatorin, insbesondere im Bereich Familienmediation. Was führt Menschen am häufigsten zu Ihnen?

Dr. Angela Scheugenpflug: Oft suchen mich Menschen auf, wenn sie spüren, dass der Dialog in ihrer Familie nicht mehr gelingt. Es geht dann oft um Trennung, Scheidung, Erbschafts- konflikte oder um die Sorge, dass die Kinder unter der familiären Spannung leiden. Häufig ist der Schmerz bereits groß – aber auch die Hoffnung, gehört zu werden und zu einer respektvollen Lösung zu finden. Mediation ist kein Wundermittel, aber sie schafft einen geschützten Raum, in dem Begegnung auf Augenhöhe wieder möglich wird.

Daniela Ringe: Sie wirken sehr zugewandt gleichzeitig klar und strukturiert. Wie schaffen Sie diesen Spagat?

Dr. Angela Scheugenpflug: Ich arbeite mit Herz und Haltung. Meine juristische Ausbildung hilft mir, Zusammenhänge sachlich zu durchdringen. Aber entscheidend ist etwas anderes: Ich verstehe Familien. Ich bin selbst seit 1997 verheiratet, mein Mann und ich waren davor schon sieben Jahre ein Paar – und seit Anbeginn bis heute arbeiten wir als Juristen eng zusammen. Unsere Beziehung lebt von gegenseitiger Wertschätzung, die von Anfang an unsere Grundhaltung war – und von einer Liebe, die stetig gewachsen ist. Diese Lebenserfahrung fließt in jede Mediation ein.

Daniela Ringe: Was bedeutet Liebe für Sie gerade in einem so langjährigen Miteinander?

Dr. Angela Scheugenpflug: Liebe ist tägliche Arbeit, Respekt, gesehen werden, dem anderen Fürsorge geben – und Verlässlichkeit. Bei jeder Mediation lässt sich daran anknüpfen, selbst wenn das einmal in Vergessenheit geraten ist. Liebe ist mehr als Schmetterlinge im Bauch. Liebe heißt auch: sich gegenseitig wahrnehmen – mit allem, was ist.

Daniela Ringe: Was unterscheidet Mediation von einem klassischen Rechtsstreit?

Dr. Angela Scheugenpflug: Mediation betrachtet den Menschen hinter dem Konflikt. Wir arbeiten nicht an Schuldfragen, sondern an Lösungen. Die Parteien behalten die Entscheidung in der Hand – und häufig finden sie nicht nur einen Kompromiss, sondern ein neues gegenseitiges Verständnis. Gerade in Familienkonstellationen ist das oft der wichtigste Schlüssel, besonders wenn Kinder beteiligt sind. Der langfristige Blick zählt: Wie wollen wir miteinander umgehen – heute und in fünf Jahren?

Daniela Ringe: Gibt es Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Dr. Angela Scheugenpflug: Ja, viele. Besonders berührt mich, wenn aus Schweigen wieder Sprache wird. Wenn etwa ein entfremdeter Vater mit seiner Tochter zum ersten Mal wieder lacht. Oder wenn zwei getrennte Eltern nach monatelangem Streit plötzlich gemeinsam sagen: „Wir wollen das Beste für unser Kind.“ Das sind keine Inszenierungen – das sind echte, ehrliche Momente. Und sie zeigen: Wandel ist möglich, wenn man bereit ist, sich führen zu lassen.

Daniela Ringe: Wie gehen Sie mit besonders eskalierten Paaren um – mit sogenannten Hochkonfliktpaaren?

Dr. Angela Scheugenpflug: Hochkonfliktpaare bringen oft eine Mischung aus Verletzung, Misstrauen und ungeklärter Wut mit. In solchen Fällen ist es entscheidend, Struktur zu geben. Ich arbeite mit einem klaren Gesprächsrahmen, der Sicherheit gibt und dafür sorgt, dass alle Beteiligten sagen können, was ihnen auf der Seele brennt – und bei Bedarf auch in Einzelgesprächen. Wenn die emotionale Temperatur zu hoch ist, braucht es zunächst Stabilisierung – erst dann kann Verständigung gelingen.

Daniela Ringe: Sie begleiten nicht nur klassische Familien, sondern auch zunehmend Patchworkkonstellationen. Welche Besonderheiten bringen solche Systeme mit sich?

Dr. Angela Scheugenpflug: Patchworkfamilien sind unglaublich vielschichtig – und gleichzeitig ein Spiegel unserer heutigen Beziehungsrealität. Patchworkfamilien sind zu wertvoll für ein Kurzinterview – dem widme ich einen eigenen Beitrag.

Daniela Ringe: Sie begleiten auch Konflikte zwischen Generationen – zum Beispiel bei Pflege, Hofübergabe oder Rollenverteilung. Was ist das Besondere daran?

Dr. Angela Scheugenpflug: Generationenkonflikte sind oft tief verwurzelt. Es geht um Erwartungen, um Loyalitäten, um unausgesprochene Enttäuschungen. Wenn etwa die Eltern im Alter Hilfe erwarten, die Kinder sich aber nicht gesehen fühlen – oder wenn bei einer Hofübergabe Pflichten und Besitzansprüche kollidieren. In solchen Situationen versuche ich, die verschiedenen Lebensphasen miteinander in Einklang zu bringen – mit Respekt für das, was war, und Offenheit für das, was kommt.

Daniela Ringe: Was ist das Besondere an Erbschaftsmediationen?

Dr. Angela Scheugenpflug: Erbschaftskonflikte berühren oft zwei Ebenen zugleich: das Juristische und das Emotionale. Wer bekommt was? Aber auch: Wer hat sich wann wie gefühlt? Ich begleite solche Prozesse mit fundierter rechtlicher Klarheit und gleichzeitig mit einem Gespür für die familiären Tiefenschichten. Häufig geht es gar nicht um materielle Werte, sondern um das Gefühl von Gerechtigkeit – und darum, familiäre Bande nicht dauerhaft zu verlieren.

Daniela Ringe: Was sollten Menschen wissen, die überlegen, sich an Sie zu wenden?

Dr. Angela Scheugenpflug: Sie brauchen keine Lösung parat zu haben – nur die Bereitschaft, sich auf einen neuen Weg einzulassen. Mediation ist freiwillig, vertraulich und professionell begleitet. Ich bringe Ruhe in aufgeheizte Situationen und sorge dafür, dass alle Stimmen gehört werden – auch die leisen. Und: Ich bewerte nicht. Ich unterstütze. Denn hinter jedem Konflikt steht ein Mensch, der gesehen werden will.

Daniela Ringe: Meine Abschlussfrage lautet: „Was würden Sie Menschen raten, die in familiären Konflikten keine Einigung mehr finden?“

Dr. Angela Scheugenpflug: Klären Sie, was rechtlich geregelt werden muss – aber vergessen Sie nicht, was menschlich versöhnt werden kann. Wenn sich die Beteiligten wieder annähern (wieder vertragen), lässt sich im weiteren Verlauf auch eine Mediationsvereinbarung schließen – ein Vertrag, der nicht nur rechtlich Bestand hat, sondern getragen ist von gegenseitigem Respekt. Und genau das macht ihn so beständig. Es geht nicht immer darum, recht zu haben, manchmal liegt die Lösung im Mut zur Versöhnung.

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