Wonnegauer Magazin Sept.-Nov. 2025

32 Wonnegauer Magazin Miteinander statt Gegeneinander Unser Sommerinterview mit der Mediatorin Dr. Angela Scheugenpflug über die Kraft der Familienmediation Daniela Ringe: Frau Dr. Scheugenpflug, Sie arbeiten seit vielen Jahren als Mediatorin, insbesondere im Bereich Familienmediation. Was führt Menschen am häufigsten zu Ihnen? Dr. Angela Scheugenpflug: Oft suchen mich Menschen auf, wenn sie spüren, dass der Dialog in ihrer Familie nicht mehr gelingt. Es geht dann oft um Trennung, Scheidung, Erbschaftskonflikte oder um die Sorge, dass die Kinder unter der familiären Spannung leiden. Häufig ist der Schmerz bereits groß – aber auch die Hoffnung, gehört zu werden und zu einer respektvollen Lösung zu finden. Mediation ist kein Wundermittel, aber sie schafft einen geschützten Raum, in dem Begegnung auf Augenhöhe wieder möglich wird. Daniela Ringe: Sie wirken sehr zugewandt – gleichzeitig klar und strukturiert. Wie schaffen Sie diesen Spagat? Dr. Angela Scheugenpflug: Ich arbeite mit Herz und Haltung. Meine juristische Ausbildung hilft mir, Zusammenhänge sachlich zu durchdringen. Aber entscheidend ist etwas anderes: Ich verstehe Familien. Ich bin selbst seit 1997 verheiratet, mein Mann und ich waren davor schon sieben Jahre ein Paar – und seit Anbeginn bis heute arbeiten wir als Juristen eng zusammen. Unsere Beziehung lebt von gegenseitiger Wertschätzung, die von Anfang an unsere Grundhaltung war – und von einer Liebe, die stetig gewachsen ist. Diese Lebenserfahrung fließt in jede Mediation ein. Daniela Ringe: Was bedeutet Liebe für Sie – gerade in einem so langjährigen Miteinander? Dr. Angela Scheugenpflug: Liebe ist tägliche Arbeit, Respekt, gesehen werden, dem anderen Fürsorge geben – und Verlässlichkeit. In jeder Mediation lässt sich daran anknüpfen, selbst wenn das einmal in Vergessenheit geraten ist. Liebe ist mehr als Schmetterlinge im Bauch. Liebe heißt auch: sich gegenseitig wahrnehmen – mit allem, was ist. Daniela Ringe: Was unterscheidet Mediation von einem klassischen Rechtsstreit? Dr. Angela Scheugenpflug: Mediation betrachtet den Menschen hinter dem Konflikt. Wir arbeiten nicht an Schuldfragen, sondern an Lösungen. Die Parteien behalten die Entscheidung in der Hand – und häufig finden sie nicht nur einen Kompromiss, sondern ein neues gegenseitiges Verständnis. Gerade in Familienkonstellationen ist das oft der wichtigste Schlüssel, besonders wenn Kinder beteiligt sind. Der langfristige Blick zählt: Wie wollen wir miteinander umgehen – heute und in fünf Jahren? Daniela Ringe: Gibt es Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind? Dr. Angela Scheugenpflug: Ja, viele. Besonders berührt mich, wenn aus Schweigen wieder Sprache wird. Wenn etwa ein entfremdeter Vater mit seiner Tochter zum ersten Mal wieder lacht. Oder wenn zwei getrennte Eltern nach monatelangem Streit plötzlich gemeinsam sagen: „Wir wollen das Beste für unser Kind.“ Das sind keine Inszenierungen – das sind echte, ehrliche Momente. Und sie zeigen: Wandel ist möglich, wenn man bereit ist, sich führen zu lassen. Daniela Ringe: Wie gehen Sie mit besonders eskalierten Paaren um – mit sogenannten Hochkonfliktpaaren? Dr. Angela Scheugenpflug: Hochkonfliktpaare bringen oft eine Mischung aus Verletzung, Misstrauen und ungeklärter Wut mit. In solchen Fällen ist es entscheidend, Struktur zu geben. Ich arbeite mit einem klaren Gesprächsrahmen, der Sicherheit gibt und dafür sorgt, dass alle Beteiligten sagen können, was ihnen auf der Seele brennt – und bei Bedarf auch in Einzelgesprächen. Wenn die emotionale Temperatur zu hoch ist, braucht es zunächst Stabilisierung – erst dann kann Verständigung gelingen. Daniela Ringe: Sie begleiten nicht nur klassische Familien, sondern auch zunehmend Patchworkkonstellationen. Welche Besonderheiten bringen solche Systeme mit sich? Dr. Angela Scheugenpflug: Patchworkfamilien sind unglaublich vielschichtig – und gleichzeitig ein Spiegel unserer heutigen Beziehungsrealität. Patchworkfamilien sind zu wertvoll für ein Kurzinterview – dem widme ich einen eigenen Beitrag. Gesundheit Bild: © Andrii Yalanskyi/shutterstock.com

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